Ein Spaziergang durch ihre Heimatstadt gibt Aufschluss. Bereits seit einigen Jahren erzählt Sr. Petra Flöck von den Schwestern vom armen Kinde Jesus im Rahmen der Stadtführung „Hexe, Nonne, Weberin – Weibergeschichten aus Aachen“ von Stadtbekannt und Co. über das Leben und Wirken Clara Feys. Anlässlich ihrer Seligsprechung hat sie dies nun auf Anregung ihrer Generaloberin zu einer eigenständigen Führung auf den Spuren der Gründerin ihres Ordens weiterentwickelt. An verschiedenen Orten in der Stadt gibt sie dabei Einblicke in die Lebensgeschichte dieser ebenso gläubigen wie starken Frauenpersönlichkeit.
Noch läuft das erst an, doch sie ist sich sicher, dass mit den Veranstaltungen rund um die Seligsprechung auch die Nachfrage nach ihren Stadtspaziergängen zunehmen wird. Eine der ersten Gruppen, die sich mit ihr auf Spurensuche begibt, sind Mitglieder des Heimatvereins „De Bongard“ aus Simpelveld-Bocholtz und der geschichtlichen und archäologischen Gesellschaft Limburg aus der Umgebung von Heerlen und Kerkrade. Startpunkt ist der „Türe-Lüre-Lißje“-Brunnen in der Klappergasse. Während sich die Gruppe aufmacht zur Bendelstraße, wo das Elternhaus Clara Feys stand, erzählt Sr. Petra etwas über die Familie. Am 11. April 1815 wird Clara als viertes von fünf Kindern der Familie Fey geboren. Gemeinsam mit einem Onkel hat ihr Vater eine Tuchfabrik in Aachen. Als sie fünf Jahre alt ist, stirbt der Vater, Mutter Katharina Fey zieht die Geschwister alleine groß. „Sie war sehr wichtig für Clara und prägt sie mit ihrem Glauben und ihrer sozialen Haltung, Notleidenden gegenüber eine Verantwortung zu haben.“ Die Mutter sorgt dafür, dass nicht nur die Söhne, sondern auch Clara und ihre Schwester Netta eine gute Schulbildung erhalten. Ihr Bruder Andreas wird später Priester an St. Paul in Aachen und einer ihrer Unterstützer bei der Gründung ihrer Ordensgemeinschaft.
Auf der Höhe der „Barockfabrik“ gibt es die nächste Zwischenstation und eine kleine Exkursion zur Industriegeschichte und den sozialen Verhältnissen im Aachen des 19. Jahrhunderts. Die Stadt mit ihren Tuch- und Nadelfabriken ist eine der ersten Industriestädte Deutschlands. „1807 wurde in Aachen die erste Dampfmaschine in Betrieb genommen“, erzählt Sr. Petra. Zu Claras Geburt lebten etwa 32000 Menschen in Aachen, und die Zahl wuchs rasant an. „Auch Frauen und Kinder mussten in den Fabriken mitarbeiten. Kinder begannen oft schon mit fünf Jahren und arbeiteten bis zu 12 Stunden am Tag, ihre Eltern bis zu 16 Stunden.“ An den Webstühlen wurden vorwiegend Waisenkinder eingesetzt, die die Flocken unter den Maschinen entfernen mussten. „Die vermisste niemand. Wenn sie nicht schnell genug waren, konnte es nämlich passieren, dass sie von der Maschine erschlagen wurden“, gibt Sr. Petra einen Einblick, wie hart die Verhältnisse waren. Die lassen auch viele Aachener Bürger nicht unberührt, wie zum Beispiel den Arzt Heinrich Hahn, den Gründer von Missio, der die Arbeiterfamilien behandelt und ihre Not miterlebt. Oder auch die Schriftstellerin Luise Hensel, die als Lehrerin in Aachen tätig ist. Zu ihren Schülerinnen zählen neben Clara Fey auch Franziska Schervier und Pauline von Mallinckrodt. Sie nimmt die Mädchen mit zu den Armen und Kranken und hält sie zur tätigen Nächstenliebe an, wie Sr. Petra ihrer Gruppe unterwegs erläutert. Diese Erlebnisse haben die junge Clara sehr berührt und ihren weiteren Lebensweg geprägt, ebenso wie ein Traum, den sie als Elfjährige hatte und in dem ihr auf der Jakobstraße „das arme Kind Jesus“ in Gestalt eines kleinen Jungen erschien.
In der Straße „Venn“ gründet Clara Fey als junge Frau von Anfang 20 gemeinsam mit drei Freundinnen ihre erste Armenschule. „Anreiz für die Kinder waren ein Paar geschenkte Holzschuhe“, berichtet Sr. Petra. Es sei keine leichte Aufgabe gewesen, der sie sich da verschrieben hätten, denn die Kinder waren meist sich selbst überlassen gewesen und alles andere als wohlerzogen. 1840 übernehmen die Frauen außerdem die in St. Paul eingerichtete Armenschule für Mädchen. Da sich zu Hause niemand um die Kinder kümmert, gründen sie außerdem ein Internat, damit die Kinder ein Dach über dem Kopf haben und geregelte Mahlzeiten bekommen. Ihnen ist wichtig, nach den Fähigkeiten der Kinder zu schauen und auch die zu fördern, die nicht gut in der Schule sind. Um die Kinder zu versorgen, stricken sich die jungen Frauen die Finger wund und gründen später eine Stickstube als Einkommensquelle, um möglichst viele Kinder aufnehmen zu können. „Das bewundere ich sehr an ihr. Sie war ebenso fähig, einen Wirtschaftsbetrieb zu führen, wie eine Gemeinschaft frommer Frauen“, sagt Sr. Petra.
Ihr Stadtrundgang führt vorbei am ersten Haus der Gemeinschaft in der Mauerstraße, wo eine Tafel an die Gründung der Ordensgemeinschaft erinnert. Denn inzwischen hat Clara sich entschieden, nicht in eine bestehende Ordensgemeinschaft einzutreten, sondern Gottes Ruf zu folgen und mit Wilhelmine Istas, Leokadia Startz und Luise Vossen selbst eine geistliche Gemeinschaft zu gründen. Schnell wird das Haus zu klein, weshalb 1843 der Umzug in die Königstraße folgt. 1848 findet die erste Einkleidung im Kloster an der Jakobstraße statt Auch hier macht die Führung kurz Halt und Sr. Petra erzählt mit Blick auf das Haus vom Wachsen der jungen Gemeinschaft. Insbesondere Clara konnte nur schwer ein Kind in Not ablehnen, weshalb auch hier der Platz bald nicht mehr ausreichte. 1844 legen die vier Gründerinnen ihr Gelübde ab und nach langem zähen Ringen bestätigt der Kölner Erzbischof ihre Gemeinschaft vier Jahre später. Im gleichen Jahr, 1848, findet auch die erste Einkleidung statt im Kloster an der Jakobstraße, das die Frauen von ihrem Erbe gekauft haben. Ihr Credo sei gewesen: „Wenn Gott das will, dann wird das was“, erzählt Sr. Petra.
Vorletzte Station ist St. Paul, wo im Laufe des Jahres das Diözesanarchiv einziehen wird. Zu dieser Kirche habe Clara von Kind an eine enge Verbindung gehabt, erzählt Sr. Petra. Mit Blick auf das Kloster an der Jakobstraße berichtet sie, wie der Orden sich entwickelt und sich anderswo Niederlassungen gründen. 1876 zwingt der Kulturkampf den Orden, Aachen zu verlassen. Zu der Zeit arbeiten bereits 200 Schwestern im Schuldienst. Im niederländischen Simpelveld findet die Gemeinschaft ein neues Zuhause. Hier stirbt Clara Fey auch 1894. Erst 2012 kehren ihre sterblichen Überreste heim in ihre Vaterstadt Aachen. Im Innenhof des Klosters, in dem heute das Generalat der Schwestern vom armen Kinde Jesus untergebracht ist, endet der Stadtspaziergang auf Clara Feys Spuren. Dank der ebenso spannenden wie unterhaltsamen Führung durch Sr. Petra ist sie für die Gruppe in den letzten anderthalb Stunden lebendig geworden.
Kontakt Sr. Petra Flöck: sr.petra@vakj.de